Keine halben Sachen – die Kunst des Duo-Spiels oder zwei Musiker im freudvollen und ideenreichen Austausch

redman-mehldau.jpg

 

Duo-Alben in der Konstellation Piano/Saxofon sind meist anspruchsvolle Unternehmen. Es gibt in der Jazzgeschichte zahlreiche Beispiele für diese Kunst der Essenz in Klang und Erzählform. Nur die besten und selbstbewusstesten Musiker wagen sich auf dieses Terrain. Insbesondere Dialoge zwischen Klavier und Saxofon sind oft Meisterwerke im Jazz. Immer wieder greife ich auf die Alben von Duke Ellington zurück, der in seinem späteren Leben Duo-Aufnahmen mit seinen Lieblingsprotagonisten Johnny Hodges und Paul Gonsalves realisierte, die jederzeit aktuell und aussagekräftig sind. Auch Veröffentlichungen vom Saxofonisten Stan Getz mit diversen Pianisten sowie Mal Waldron am Klavier in gleichberechtigten, künstlerischen Austausch mit Steve Lacy oder Jim Pepper höre ich immer wieder gern. Die Liste an wunderbaren Duo-Veröffentlichungen könnte ich endlos fortsetzen.

Zwei Meistermusiker unserer Tage haben sich bereits vor 5 Jahren (2011) zusammengetan und einige Konzerte in Europa gegeben, welche die feine Kunst des Duo-Spiels regelrecht zelebrierten. Brad Mehldau und Joshua Redman sind weite und verzweigte Wege innerhalb der Musik gegangen und heute unbestrittene Größen in ihren Sphären. So erschaffen und kreieren sie unabhängig von- und miteinander ein eigenes musikalisches Universum, das in unsere Gegenwart und teilweise auch in die Zukunft ausstrahlt. Gleichzeitig bearbeiten sie gemeinsam, auch unabhängig voneinander, das musikalische Erbe und Werke anderer Jazzikonen, indem sie dieses Material in ihre Einzelteile zerlegen und neu zusammensetzen. Die vorliegenden Live-Aufnahmen aus Konzertsälen in Spanien, Deutschland, der Schweiz und Norwegen belegen diese Arbeitsweise in beeindruckender Manier. Auch sind auf „Nearness“ (in der Vinyl-Version als Doppelalbum) drei Eigenkompositionen jeweils zwei von Mehldau und eine von Redman enthalten, welche die Vorzüge des konzentrierten Zusammenspiels im Duo verdeutlichen. Redman's „Mehlsancholy Mode“ pendelt genüsslich und voller Spielfreude elegante Klavier- und Saxofonlinien hin und her, meisterhaft in Form und Inhalt. Überhaupt hört man an keiner Stelle des Albums so etwas wie ein „Übertrumphen-Wollen“ des einen zum anderen Musiker. Brad Mehldau und Joshua Redman müssen sich nichts mehr gegenseitig und auch ihren Hörern gegenüber beweisen. Dieses Moment und das mitschwingende „Understatement“ der beiden Musiker macht „Nearness“ zu einem vorzüglichen Hörerlebnis.

JOSHUA REDMAN & BRAD MEHLDAU
Nearness
Nonesuch Records / Warner Music 555845-1 / Veröffentlichungsdatum: 9. September 2016

Autor: Jan Fritz